Worte

Malerei - Natur

Meine Malerei ist zum einen geprägt von der prozesshaften Auseinandersetzung mit eigenen Zeichnungssystemen, die ihren Ursprung in der Realität oder Phantasie haben. Zum anderen werden immer wieder gesuchte und gefundene Gegenstände verwandt, deren Formschöpfungen mich interessieren. Lineatur, Abdruck, Projektion werden im Arbeitsprozess kombiniert. Malerei „nach der Natur“ bedeutet für mich die Annäherung an einen organischen Wachstumsprozess.
Wohin biegt sich die Linie? Elemente aus der Natur, z.B. wie hier im Bild, Abschnitte von Rebstöcken (aus den Trierer Weinbergen), die an sich schon ein „gestalterisches Eigenleben“ führen, werden als Bildmotive eingebracht, auf die mit Farbe und Linie reagiert wird. Der gewachsene Zweig aus der Natur korrespondiert mit dem schöpferischen Prozess der Linienführung von mir als Malerin. Auch der Mensch ist Teil der Natur und kann den gespeicherten Erfahrungsschatz von Sehen und Bewegung abrufen und durch seinen Körper auf die Leinwand übertragen. Es entsteht eine gekrümmt wachsende aus sich selbst vorwärtsstrebende Linie, die das eigene „Wachstum“ darstellt, im Gegensatz zu einer konstruierten Linie, die ein klares Ziel hat und sich auf ein Konzept bezieht. Auch wenn es bei pflanzlichen Gewächsen manchmal scheint, als habe das Chaos die Oberhand, so ist der Wuchs im Inneren eines „Gestrüpps“ meist von einer tieferliegenden Ordnung geprägt, z.B. spiralförmig, auch wenn die Gesamtform vielverzweigt „wuchert“.
Entscheiderin in meinem Malprozess ist aber stets die Farbe, die der Linie in der Kombination einen illusionären Raum ermöglicht.

Andrea Nagel, Berlin 2015

 

 

 

 

 


 

 

"Reben", 2015, Acryl- und Ölfarbe auf Lw, 80 cm x 60 cm

Malerei - Vergehen von Zeit

In meiner Malerei ist der Prozess der Gestaltung der Bilder von enormer Wichtigkeit. Die Bilder verdeutlichen konkret das Vergehen der Zeit beim Malen. Die gemalte Linie hinterlässt eine Spur, an der die Zeit ablesbar wird, der Malfluss dokumentiert sich selbst. Unterschiedliche Pinsel oder Werkzeuge beeinflussen dies.
Das persönliche Erleben von Zeit beim Malen ist unterschiedlich. Die wiederholte Abfolge beim Linienziehen erzeugt Ruhe, eine meditative Stimmung. Das Gefühl von Zeit ist kurz in der Realzeit aber lang. Zum Beispiel zieht die Hand mit dem Pinsel den immer wieder abreissenden „Farbfaden“ noch viel langsamer als man eine wirkliche Schnur auf ein Gestell aufhängen würde. Dagegen gibt es Bereiche, die schnell und dynamisch aufgetragen werden: Bei diesem offeneren Arbeiten ist das Verspüren der Zeit beim Malen lang, da Verschiedenes ungeplant passiert, auf das man reagieren muss, die Realzeit ist hier hingegen kurz.
So entstehen Liniengefüge mit unterschiedlichem „Wissen“ und Geschwindigkeiten. Die eine Linie „weiss“ nichts und strebt lebendig aus sich selbst heraus wachsend hervor und stellt das eigene Wachstum dar. Die andere Linie „weiss“ und verfolgt ein klares Ziel, das sich auf ein erdachtes Konzept bezieht. Der Schreib-, wie der Malfluss sind Zeugnisse individuellen Form- und Bewegungsausdruckes sowie von Lebendigkeit, Körpererfahrung und Raumeinnahme. Auf den Betrachter kann sich dies unterschiedliche Zeitempfinden übertragen, wenn sein Blick den Linien und Farben folgen mag und Assoziationen ausgelöst werden, bzw. eigene Erfahrungen in Kommunikation mit dem Bild treten.

Andrea Nagel, Berlin 2015

 

"Ohne Titel", 2013, Pigment, Acryl- und Ölfarbe auf Lw,             130 cm x 160 cm